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Marfan-Syndrom
Das Marfan-Syndrom ist eine systemische Besonderheit des Bindegewebes auf der Grundlage einer Genmutation; diese kann Vererbung (Biologie)|vererbt werden oder als Neumutation auftreten.
Auftrittshäufigkeit
Die Besonderheit tritt mit einer Häufigkeit von etwa 1:10.000 auf, wobei 6 bis 7 von 10 Fällen familiär bedingt sind. Die Anzahl der Neumutationen beträgt 30 bis 40%. Da die Definition "Marfan-Syndrom" z.Zt. nach Hilfskriterien erfolgt, und da es mehrere verwechselbare "Parallelkrankheiten" gibt, sollte besser vom Marfan-PHÄNOTYP gesprochen werden; dafür insgesamt ist die Häufigkeit etwa 1:6.000. Die Gruppe der Krankheiten des Marfan-Phänotyp wird neuerdings genannt, die "Fibrillopathien".
Erstbeschreibung
Das Syndrom wurde erstmals unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten 1896 von dem französischen Kinderarzt Antonin Marfan beschrieben. In den 1930er Jahren erkannte man, dass die Besonderheit Erbkrankheit|autosomal dominant (nicht geschlechtsgebunden) vererbt wird, und die Ursache auf dem Chromosom 15 liegt.
Merkmale
Feingeweblich manifestiert sich das Marfan-Syndrom in der Feinstruktur des Bindegewebes (der Mikrofibrillen). Das Bindegewebe ist also fehlerhaft aufgebaut und führt zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Instabilitat aller Bindegewebe des Körpers.
Folgende Symptome kommen häufig bei Menschen mit Marfan-Syndrom vor, wobei nicht alle Merkmale bei allen Menschen bzw. bei allen Menschen in gleich starker Ausprägung vorliegen:
1. '''Herz- und Blutgefäß|Gefäßsystem'''
- Herzfehler|Herzklappenfehler (Schlussunfähigkeit der Aorten- und/oder Mitralklappe - Aneurysma der Aortenwurzel)
- Dissektion (Aufspaltung oder Zerreißung der Aortenwand)
2. '''Augen'''
- Lockerung des Halteapparates der Linsen (Linsenluxation)
- Kurzsichtigkeit
- Glaukom (Grüner Star = hoher Augeninnendruck)
- Grauer Star (Katarakt)
- Netzhautablösung
- blaue Skleren
3. '''Skelettsystem'''
- senkrechte Überentwicklung des Kopfes(Skaphocephalus / Langschädel)
- Hyperlaxität (Überstreckbarkeit) der Gelenke
- hoher Gaumen (Gotischer Gaumen)
- Arachnodaktylie (Spinnenfingrigkeit)
- Trichter- oder Kielbrust
- Hochwuchs
- Verbiegungen der Wirbelsäule (Skoliose, Kyphose = Buckel)
- schwach entwickelte Muskulatur (Muskelhypotonie)
- Plattfüße
- samtartige Haut mit Neigung zu Striae (Dehnungsstreifen)
- Neigung zum Leistenbruch
Diagnose und Behandlung
Die Diagnostik und Behandlung muss fachübergreifend (durch u.a. Kinderkardiologie|Kinderkardiologen / Kardiologie|Kardiologen, Orthopädie|Orthopäden, Augenärzte) erfolgen gemäß der Genter Nosologie (systematische Beschreibung der Krankheiten).
Eine ursächlich heilende Therapie existiert derzeit nicht. Die orthopädische und augenärztliche Versorgung der Patienten ist wichtig.
Lebenserwartung
Die größte Bedeutung zur deutlichen Verlängerung der Lebenserwartung fällt in den Bereich der Kinderkardiologie / Kardiologie. Es gibt Hinweise darauf, dass die Geschwindigkeit der Entstehung einer Aortenerweiterung durch die Einnahme von Beta-Blockern vermindert werden kann. Wie weit eine frühe und prophylaktische Einnahme im Kindesalter eine Aortenerweiterung verhindert, ist noch unklar; erste Erfahrungen nach 14 Jahren Beta-Blocker-Therapie bei Kindern (2005), begonnen bei 3 bis 4-jährigen betroffenen Kindern zeigen aber, daß eine Progredienz der Erweiterung der Aortenwurzel in fast allen Fällen nicht eintritt und die Erweiterung unter der Medikation dann nur altersspezifisch erfolgt.
Ist die Aortenwurzel bei Erwachsenen auf mehr als 55 mm erweitert, muss eine Operation erfolgen um eine Dissektion der Aorta zu verhindern. Dies geschieht evtl. durch einen Aortenwurzelersatz mit künstlicher Herzklappe. Die postoperative Überlebensrate nach 10 Jahren beträgt zwischen 70 und 75%. Bei Kindern leitet sich die Notwendigkeit einer Operation aus der Abweichung des aktuellen Aortendurchmessers vom altersbezogenen Normalwert ab, der individuell geprüft werden muss.
Entscheidend ist, daß bei Kindern und Erwachsenen die Endokarditis-Prophylaxe ganz besonders ernst genommen wird (selbst bei zahnärztlichen Eingriffen, kleinen Wunden, wund gelaufenen Füßen usw. !), da im Falle einer Besiedlung/Vegetation an den besonders sensiblen Herzklappen und Klappenrändern ein Voranschreiten der marfan-typischen Gewebeinstabilität bedingen kann.
Bei schweren Verläufen können auch augenärztliche Eingriffe zum Erhalt oder Wiederherstellung der Sehfähigkeit erforderlich werden. Bei Überdehnung und zunehmendem Verlust (Einreißen) der Zonulafasern entsteht das sog. "Linsenschlottern"; es sind inzwischen neue OP-Techniken entwickelt worden, die unter Erhalt des Kapselsackes und Implantation einer Speziallinse bereits bei kleinen Kindern die Sehfähigkeit erhalten kann (u.A. Klinikum Olten/Schweiz).
Bei Verläufen mit schweren Wirbelsäulenverbiegungen sind Aufrichtungsoperationen wahrscheinlich. Es sind neue OP-Techniken entwickelt worden, die eine Aufrichtung der Wirbelsäule ohne Vollversteifung ermöglicht (Uniklinik Münster, Klinkum Neustadt).
Berühmte Menschen mit Marfan-Syndrom
Berühmte Persönlichkeiten, wie Abraham Lincoln, Talleyrand und Niccolò Paganini sollen das Marfan-Syndrom gehabt haben.
Literatur
- Witkowski, Prokop, Ullrich, Thiel: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen (7. Auflage, 2003)
Übersicht der häufigsten Krankheiten:
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