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Psychoedukation
Der Begriff Psychoedukation ist ein Kunstwort, das aus dem Amerikanischen stammt. Es wurde zusammengesetzt aus den Begriffen "psychotherapy" und "education". "Psychotherapy" bedeutet im Deutschen das gleiche wie im Amerikanischen, unter "education" verstehen wir aber nicht "Erziehung" oder "Schulung", sondern eher sowas wie "Bildung".
In der Psychoedukation geht es also nicht darum, Menschen, die an einer psychischen oder sonstigen Störung leiden, zu "schulen", sondern deren persönliche Erfahrungen mit ihrer eigenen Erkrankung mit dem gegenwärtigen Wissen über die Erkrankung zu "verbinden".
Ein "Überstülpen" des medizinischen Wissens über die Erfahrungen der Betroffenen wäre absolut kontraproduktiv. Ziel ist, die Krankheit besser zu verstehen und besser mit ihr umzugehen zu können. Ziel ist auch, die eigenen Ressourcen und Möglichkeiten kennen zu lernen, um mögliche Rückfälle zu vermeiden und selbst langfristig zur eigenen Gesundheit beizutragen.
Psychoedukation
Da es den Patienten und Angehörigen oft schwerfällt, die Diagnose "psychische Störungen" zu akzeptieren, hat die Psychoedukation auch die Funktion, zur Entstigmatisierung psychischer Störungen beizutragen und Barrieren zum Aufsuchen einer Behandlung abzubauen.
Der Einblick in die Bedingtheiten der eigenen Krankheit ("individuelles Krankheitsmodell"), sowie der geschärfte Blick für Zusammenhänge wirken sich häufig positiv auf die Behandlung und den weiteren Verlauf der Krankheit beim Patienten aus. Das Wiedererkrankungsrisiko (Rückfallrisiko) kann dadurch gesenkt werden; Patienten und Angehörige, die über das Krankheitsbild genauer informiert sind, fühlen sich weniger hilflos.
Wichtige Elemente in der Psychoedukation sind:
- Informationsvermittlung (Symptomatik der Störung, Ursachen, Behandlungskonzepte etc.)
- emotionale Entlastung (Verständnis fördern, Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen, Kontakte etc.)
- Unterstützung einer medikamentösen oder psychotherapeutischen Behandlung, indem die Kooperation zwischen Behandler und Patient (Compliance (Medizin)|Compliance, Adherence) gefördert wird.
- "Hilfe zur Selbsthilfe" (z.B. Trainieren, wie Krisensituationen frühzeitig erkannt werden und welche Schritte dann unternommen werden können)
Einzel- und Gruppenedukation
Psychoedukation kann im Einzelgespräch oder in Gruppen erfolgen und wird meist von Psychologen, Ärzten, aber auch von geschultem Pflegepersonal durchgeführt. In den Gruppen werden die Informatione über die Erkrankung gemeinsam erarbeitet. Dabei spielen der Erfahrungsaustausch zwischen den Betroffenen und die gegenseitige Unterstützung eine wesentliche Rolle beim Heilungsprozess und der Rückfallvorbeugung.
"Für wen sind psychoedukative Gruppen nicht geeignet?"
Eigentlich spricht nichts gegen die Teilnahme an einer psychoedukativen Gruppe. Allerdings sind akut erkrankte Patienten mit einer schizophrenen Psychose, die unter massiven Denk-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen leiden, zu Beginn ihrer Erkrankung häufig überfordert, wenn sie mit zu vielen Informationen konfrontiert werden. In diesem Zustand ist Psychoedukation nicht zu empfehlen; hier ist es besser, noch einige Wochen abzuwarten.
Massive Ängste, z.B. bei Sozialer Phobie, können zunächst eine erhebliche Erschwernis bedeuten. Bei erfahrenen Gruppenleitern und gleich zu Beginn aufgezeigten Möglichkeiten zur Bewältigung von derartigen Ängsten kann die Gruppenteilnahme sogar hilfreich sein, diese Angst zu überwinden.
Sehr unruhige oder Manie|manische Patienten, sollten erst dann derartige Gruppen besuchen, wenn sie besser in der Lage sind, sich zu konzentrieren und die Erregung wieder abgeklungen ist.
Nachdem der Einsatz verhaltenstherapeutischer Behandlungsmethoden sich auch in Deutschland als erfolgreich erwiesen hatte, beförderte man die Entwicklung von systematischen Gruppenprogrammen, den so genannten Psychoedukativen Manualen, um das Wissen über einzelne Störungsbilder und Erkrankungen den Patienten und Angehörigen gut verständlich zugänglich zu machen.
Mögliche Risiken und Nebenwirkungen
Neben den positiven Effekten einer therapeutischen Maßnahme wie der Psychoeduktion sollten grundsätzlich auch mögliche Risiken in Betracht gezogen werden. Die Vermittlung detaillierten Wissens über die Krankheit, insbesondere Heilungschancen, Therapiemöglichkeiten und Krankheitsverläufe kann den Betroffenen bzw. dessen Angehörigen stark belasten. Deshalb sollte man sich zuvor ein genaues Bild über den momentanen psychischen Zustand des Patienten machen. Dabei sollte berücksichtigt werden, über wieviel Wissen der Patient bereits verfügt und wieviel Wissen der Patient im aktuellen Zustand überhaupt aufnehmen und verarbeiten kann. Dabei sollte die Aufmerksamkeit und Konzentration, sowie die emotionale Belastbarkeit des Patienten berücksichtigt werden.
Im Rahmen einer Psychoedukation sollte darauf geachtet werden, die Betroffenen nicht mit zu viel Informationen zu überfordern.
Bei Gruppentherapien sollte bedacht werden, dass die charakterlichen, intellektuellen und kulturellen Unterschiede zwischen psychisch Kranken ebenso groß sind wie zwischen psychisch Gesunden, und dass man nicht zusammenzwingen sollte, was einander aus dem Weg gehen möchte.
Siehe auch: Patientenschulung
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