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Trigeminusneuralgie
Eine Trigeminusneuralgie ist eine schmerzhafte Störung des 5. Hirnnervs, des Nervus trigeminus.
Formen
Es erfolgt die Unterscheidung zwischen:
- idiopathischer T. und
- symptomatischer T.
Die Unterscheidungskriterien betreffen dabei die Ursachen: Bei der idiopathischen T. ist die Ursache - wie die Bezeichnung vermuten läßt - weitgehend unbekannt, bei der symptomatischen T. kann eine Ursache gefunden werden (z.B. Kompression des Nerven durch ein Gefäß, Multiple Sklerose (MS), Hirntumor. Diese Unterscheidung ist somit auch klinisch relevant, weil sich nach ihr das therapeutische Vorgehen richtet.
Epidemiologie
- Idiopathische T.: Erstmaliges Auftreten nach dem 40. Lebensjahr. Inzidenz (Frauen) 5,9/100.000/Jahr, Inzidenz (Männer) 3,9/100.000/Jahr (Katusic et al., 1990). Am häufigsten sind der 2. und 3. Trigeminusast alleine (18% bzw. 15%) oder in Kombination (ca. 40%) betroffen. Beidseitige T. sind selten (ca. 3%)
- Symptomatische T.: Erstmaliges Auftreten vor dem 40. Lebensjahr. Sehr viel häufiger findet sich der Befall des 1. Trigeminusastes sowie beidseitige Nervenschmerzen.
Symptome
Charakteristisch ist der spontane oder getriggerte, blitzartige einschießende Schmerz im Bereich eines oder mehrerer Trigeminusäste. Der Schmerz hält meist nur für wenige Sekunden an, selten bis zu 2 Minuten. Auf die Schmerzattacke folgen vegetative Erscheinungen im entsprechenden Versorgungsgebiet des Trigeminusastes: Rötung, Sekretion der Tränen-, Nasen- und/oder Speicheldrüsen. Die Attacken treten mehrmals pro Tag über Wochen und Monate auf; es können zu Beginn aber auch wochen- bis monatelange schmerzfreie Intervalle vorliegen. Als Trigger können wirken: Kauen, Sprechen, Schlucken, Zähneputzen, Berührung im Gesicht, kalter Luftzug, Bewegungen der Gesichtsmuskulatur. Bei der idiopatischen T. besteht zwischen den einzelnen Schmerzattacken Schmerzfreiheit, wohingegen bei der symptomatischen T. diese Schmerzfreiheit zwischen den Attacken nicht besteht. Ebenfalls kommt es bei der symptomatischen T. häufiger zur Beteiligung des 1. Trigeminusastes und einem beidseitigen Auftreten. Bei diesen Patienten besteht jedoch häufig eine Gefühlsstörung im Versorgungsgebiet des betroffenen Trigeminusastes. Ein großes Problem besteht darin, daß jahrelang Geplagte ein Vermeidensverhalten entwickeln und beispielsweise nicht mehr ins Freie gehen (wenn kalte Luft triggern kann), sich im betroffenen Gesichtsbereich nicht mehr waschen oder rasieren (wenn (schon leichte) Berührung triggern kann). Begleitet wird die Trigeminusneuralgie häufig ebenfalls von einer Depression|depressive Verstimmung als Folge der massiven Schmerzen. Die Suizidrate ist bei Betroffenen signifikant erhöht.
Stärke der Schmerzen
Die Schmerzen, die bei der Trigeminusneuralgie auftreten, sind mit die stärksten für den Menschen vorstellbaren Schmerzen. Sie erreichen auf einer Schmerzskala von 0 bis 10 fast immer die höchste Stufe.
Pathogenese
Bei 70-100% kann intraoperativ ein pathologischer Gefäß-Nervenkontakt nachgewiesen werden (u.a. Delitala et al., 2001, Zorman/Wilson, 1984). Zumeist handelt es sich dabei um den Kontakt zwischen A. cerebelli superior und Wurzel des N. trigeminus im Bereich des Hirnstamms. Durch die herzrhythmische Ausdehnung des Gefäßes kommt es zur lokal umschriebenen Demyelinisierung des Nerven (Love/Coakham, 2001). Das bedeutet im Gegenschluß aber keineswegs, daß bei allen Personen mit pathologischem Gefäß-Nervenkontakt ein vaskulär bedingtes Schmerzsyndrom vorliegen muß! Neben dieser Theorie besteht die Hypothese einer funktionellen Störung im Kerngebiet des N. trigeminus sowie die einer Störung im schmerzverarbeitenden System.
Bei der symptomatischen T. führen beispielsweise Raumforderungen und Demyelinisierungsvorgänge im Rahmen der Multiplen Sklerose zu den typischen Schmerzen.
Differentialdiagnosen
- atypischer Gesichtsschmerz
- Glossopharyngeusneuralgie
- alle Formen von Kopfschmerzen (v.a. Cluster-Kopfschmerz)
- Kiefergelenkssyndrom
- Trigeminusneuropathie (typisch: Dauerschmerz + Gefühlsstörungen, oft nach Gesichtsverletzungen)
Therapie
Es stehen sich konservative und operative Therapiemöglichkeiten gegenüber. Zuerst wird immer ein konservativer, also medikamentöser Therapieversuch erfolgen, da alle operativen Eingriffe (mitunter schwerwiegende) Nebenwirkungen aufweisen - ganz abgesehen von der Operabilität des Patienten.
Leider wurden in der Vergangenheit immer noch häufig operative Maßnahmen im Bereich des Gesichtsschädels durchgeführt, weil die Schmerzen falsch gedeutet wurden. Deshalb sei an dieser Stelle festgestellt, daß die Entfernung von Zähnen oder die Spülung von Kieferhöhlen keinen therapeutischen Erfolg zeitigen!
Psychotherapeutische Verfahren konnten in ihrer Wirksamkeit ebenfalls nicht belegt werden.
Konservative Therapie
- Mittel der 1. Wahl: Carbamazepin/Oxcarbazepin (Antiepileptikum; einziges zur Therapie der T. zugelassenes Medikament in Deutschland)
- Mittel der Wahl zur Akuttherapie: Phenytoin langsam i.v. (Natriumkanalblocker)
- Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Medikamente, die in ihrer Wirksamkeit in Studien oder empirisch belegt worden sind, die hier aber nicht weiter aufgeführt werden soll. Bei Interesse sei auf die unten stehenden Links verwiesen.
- Opiate sind nur unzureichend wirksam und nicht in Langzeitstudien untersucht, weshalb die Expertengruppe 2001 ihre Verwendung nicht empfiehlt.
- Ganglionäre lokale Opioidanalgesie (GLOA) am Ganglion cervicale superius.
Operative Therapie
Auch hier stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung:
- Verfahren ohne Schädelknocheneröffnung im/am Ganglion Gasseri
Hierunter werden die Schädigung des Ganglion Gasseri durch Hitze (temperaturgesteuerte Koagulation, Sweet, 1968), durch chemische Substanzen (Glyzerinrhizolyse, Hakanson, 1981) und durch mechanischen Druck (Ballonkompression, Mullan/Lichtor, 1983) zusammengefasst. Alle Verfahren sind mit einer frühen Erfolgsquote von mehr als 90% sehr gut wirksam (u.a. Jho/Lunsford, 1997), Skirving/Dan, 2001). Nach 10 Jahren liegt die deutliche Schmerzlinderung bzw. Schmerzfreiheit noch bei 70-80%. Als Nebenwirkung treten Gefühlsstörungen (evtl. auch schmerzhaft) im Versorgungsgebiet des Trigeminus sowie in seltenen Fällen Gehirnhautentzündungen (1-5%, je nach Therapieverfahren) auf.
- "Verfahren zur Entlastung des N. trigeminus im Kleinhirnbrückenwinkel'' (mikrovaskuläre Dekompression)
Auch: Operation nach Janetta. Hierbei wird entweder ein Muskelkissen oder körperfremdes Material zwischen den N. trigeminus und das komprimierende Gefäß eingebracht. Die frühe Erfolgsquote von 98% belegt die Wirksamkeit (Schmerzfreiheit bzw. deutliche Schmerzlinderung). Nach 10 Jahren beträgt die Erfolgsrate noch 67% (Schmerzfreiheit bzw. deutliche Schmerzlinderung). In 11% der Fälle mußte innerhalb von 6 Jahren erneut operiert werden, wobei die Erfolgsrate nach diesen Re-Operationen deutlich niedriger als nach der Erstoperation lag (nach 5 Jahren nur noch bei 51%). Als Nebenwirkung treten in 3-30% der Fälle Gefühlsstörungen (meist in Form einer Verminderung des Gefühls) im Trigeminusgebiet sowie in bis zu 20% der Fälle eine Taubheit auf dem gleichseitigen Ohr auf.
- radiologische Behandlungsverfahren (Gamma-Knife, Linearbeschleuniger)
Die frühe Erfolgsrate liegt bei ca. 86%, sinkt jedoch nach knapp 3 Jahren auf ca. 75% ab (Kondziolka et al., 2002). Es handelt sich um eine relativ junge Therapieoption, so daß Langzeitergebnisse noch abgewartet werden müssen.
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