Angelman-Syndrom bei KRANKHEITEN.DE
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Angelman-Syndrom

Das Angelman Syndrom ist die Folge einer seltenen neurologischen Genbesonderheit im Bereich des Chromosoms der Nummer 15, die unter anderem mit psychischen und motorischen Entwicklungsverzögerungen, ausgeprägter Kognitive Behinderung|kognitiver Behinderung, Hyperaktivität und einer stark reduzierten Lautsprachentwicklung einhergeht.

Geschichte

Der britische Kinderarzt Dr. Harry Angelman (1915-1996) mit dem Fachgebiet Neurologie beschrieb das später nach ihm benannte Syndrom im Jahr 1965 erstmals unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten. Er nannte es aufgrund des auffälligen Bewegungsmusters und des häufigen Lachens der Kinder, die er damals betreute, Happy-Puppet-Syndrom (engl.: happy = glücklich + puppet = Marionette).

Auftretenshäufigkeit

Sowohl Jungen als auch Mädchen können mit dem Angelman-Syndrom geboren werden.
Dr. Angelman beschrieb im Jahr 1965 150 Fälle; im Jahr 2005 waren weltweit über 800 Fälle dokumentiert. Die Besonderheit tritt mit einer durchschnittlichen Häufigkeit von 1:15.000 bis 1:20.000 auf, wobei davon auszugehen ist, dass das Angelman-Syndrom vielfach nicht als solches diagnostiziert wird, sondern beispielsweise als Autismus. Bestehende Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der aktuellen Auftrittswahrscheinlichkeit und einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) werden untersucht.

Häufige Symptome

Mit der Zeit sind vielfältige Merkmale aufgezeichnet worden, die häufig bei Menschen mit Angelman-Syndrom vorkommen. Nicht alle Menschen weisen alle Merkmale, beziehungsweise nicht alle Merkmale in gleich starker Ausprägung auf:
  • häufiges, oft objektiv unbegründetes Lächeln und Lachen, zum Teil regelrechte Lachanfälle, oft bei Aufregung
  • ausgeprägte kognitive Behinderung
  • Hyperaktivität
  • Konzentrationsschwierigkeiten, kurze Aufmerksamkeitsspanne, aber oftmals gutes Gedächtnis für Gesichter und Richtungen, gute räumliche Orientierung
  • im Kleinkindalter oft keine Sprechversuche, kein Brabbeln, später kaum lautsprachliche Artikulationsfähigkeit (expressive Sprache), wohl aber gewisse Fähigkeit zum Erlernen alternativer Kommunikationsformen (z.B. die Gebärden nach dem System der Gebärden-unterstützten Kommunikation / GuK, Bildkommunikation)
  • gute rezeptive Sprache (Sprachverständnis)
  • überdurchschnittlich lange Dauer der oralen Phase (Erkundung der Umwelt mit dem Mund)
  • Bewegungs- und Gleichgewichtsstörungen, Ataxie (meist sehr steifer, ungelenker, schwankender, breitbeiniger Gang, ruckartige, abgehackte (Lauf-)Bewegungen, 10 von 100 Kindern lernen nicht laufen)
  • Verzögerung der motorischen Entwicklung (dadurch auch z.B. vergleichsweise spätes Laufenlernen)
  • Wahrnehmungsstörungen im körperlichen Bereich (oft zum Beispiel Gleichgewichtsprobleme)
  • übermäßige Mund- und Kaubewegungen aufgrund von ungenügender Kontrolle der Mundmuskulatur
  • Schlafstörungen
  • vergleichsweise kleiner Kopf (Mikrozephalie), der oft an der Hinterseite abgeflacht ist
  • ungewöhnliches Hervorstrecken der Zunge (bei etwa 50% der Betroffenen)
  • cerebrale Krampfanfälle (Epilepsie) bei bis zu 90% der Betroffenen (Beginn meist zwischen dem 3. und 36. Monat nach der Geburt, verschwinden oft im Jugendalter, etwa um das 16. Lebensjahr, wieder)
  • Besonderheiten im EEG, auch unabhängig von Epilepsie und auch im Schlaf nachweisbar
  • Wachstumsstörungen
  • häufig Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) in der Pubertät
  • kleine Hände und Füße, nach außen gedrehte Füße
  • häufig sehr schwach pigmentierte Haut, helles Haar und blaue Augen (Hypopigmentierung, zum Teil Parallelen zum Albinismus)
  • großer Mund mit hervorstehendem Oberkiefer
  • vergleichsweise kleine Zähne, die oft recht weit auseinander stehen
  • übermäßiger Speichelfluss
  • Schielen (Strabismus) mit einer Auftretenshäufigkeit von 50%
  • übermäßiges Schwitzen, besondere Hitzeempfindlichkeit

Sonstige Merkmale

Menschen mit Angelman-Syndrom fallen gewöhnlich durch Hyperaktivität und eine intensive Suche nach Körperkontakt auf. Sie haben oft viel Sinn für Humor, sind häufig sehr sozial, meist freundlich und sie lachen sehr viel, wenngleich oft objektiv grundlos und oft bei Aufregung.

Trotz des Unvermögens, regelgerechtes Sprechen zu lernen (im Schnitt können sechs Wörter lautsprachlich artikuliert werden), sind Menschen mit dem Angelman-Syndrom meist fähig, einfache, teils sehr subjektiv gehaltene Gebärden (z.B. nach dem Prinzip der Gebärden-unterstützen Kommunikation / GuK) zu erlernen, Bilder zur Kommunikation zu verwenden oder Gesten zur Verständigung einzusetzen.

Menschen mit Angelman-Syndrom bleiben lebenslang auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Sie sind in unterschiedlichem, aber meist sehr begrenztem Maße intellektuell bildbar, benötigen allerdings spezielle Hilfen und vor allem dauerhaft personelle Unterstützung beim Lernen und bei der lebenspraktischen Bewältigung des Alltags.

Viele Menschen mit Angelman-Syndrom haben eine besondere Vorliebe für Wasser. Sie gehen gerne Schwimmen, spielen gern mit Wasser und sind fasziniert durch Spiegelungen auf Wasser- oder z.B. auch auf Glasflächen.

Oft betrachten sie sehr gerne Bildern von sich selbst und nahen Bezugspersonen.

Genetik

Bei 50 bis 80 von 100 Menschen mit Angelman-Syndrom liegt die Ursache der Besonderheit in einer Deletion (= Stückverlust) des mütterlichen (= maternalen) Chromosoms 15 im Bereich 15q11-q12 (zum Teil mit Translokation (Translokation).

Bei 2 bis 5 von 100 Personen liegt eine uniparentale Disomie (UPD) 15 vor, das heißt das Kind hat von einem Elternteil beide Chromosomen 15 geerbt und vom anderen Elternteil keines oder ein beschädigtes.

Bei 8 bis 11 der Menschen mit Angelman-Syndrom findet sich eine Genmutation im Bereich 15q11.13 (UBE3A).

Ein Defekt im Imprinting-Center ist bei etwa 5 von 100 Personen nachweisbar. Dieses kontrolliert sieben Gene, die auf dem väterlichen (= paternalen) und mütterlichen Chromosom differentiell methyliert sind. Dabei werden Cytosin-Nukleotide, auf die ein Guanosin-Nukleotid folgt (CpG-Gruppen), mit einer Methyl-Gruppe versehen. Dies hat auf ein noch weitestgehend unverstandene Weise eine Inaktivierung des Gens zur Folge.

Durch das Imprinting ist auf dem maternalen Chromosom lediglich das Gen UBE3A aktiv, während auf dem paternalen Chromosom alle Gene außer UBE3A exprimiert werden. Ist die Funktion des Imprinting-Centers gestört, hat dies ein fehlendes oder fehlerhaftes Methylierungsmuster zur Folge, was unter anderem das Angelman-Syndrom zur Folge haben kann.

In manchen Fällen wird das Angelman-Syndrom in gewisser Weise vererbt. Die Eltern sind dabei nicht betroffen, haben aber bestimmte Chromosomenbesonderheiten, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, ein Kind mit Angelman-Syndrom zu zeugen. Dies zeigt sich in der auffallenden Häufigkeit von gleichsam betroffenen Geschwistern.

Diagnose

Die Diagnose wird im Schnitt zwischen dem dritten und siebten Lebensjahr durch Neurologen (anhand auffälliger EEG-Werte, unabhängig von Epilepsie, auch in Schlaf bestehend) oder durch Genetiker (anhand einer zytogenetischen oder molekulargenetischen Untersuchung) gestellt.

In sehr vielen Fällen wenden sich die Eltern des Kindes mit dem Verdacht auf das Angelman-Syndrom an ihren Kinderarzt, da sie sich aufgrund bestimmter typischer Auffälligkeiten bereits im Vorfeld informiert haben, um eine Erklärung für Besonderheiten ihres Kindes zu finden.

Therapie

Ein Angelman-Syndrom ist nicht ursächlich heilbar. Medizinisch relevant ist die adäquate Behandlung der vielfach auftretenden Epilepsie, des Schielens (Strabismus) und der Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose).

Ansonsten sind die gängigsten Fördermethoden, die sich positiv auf die Entwicklung von Kindern mit Angelman-Syndrom auswirken, heilpädagogische Frühförderung, Krankengymnastik, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, sensorische Integration|sensorische Integrationstherapie und therapeutisches Reiten.

Lebenserwartung

Die Lebenserwartung von Menschen mit Angelman Syndrom ist nicht herabgesetzt.


Die Informationen dienen der allgemeinen Weiterbildung. Sie können in keinem Falle die ärztliche Beratung, Diagnose oder Behandlung ersetzen.
Bei gesundheitlichen Beschwerden sollten Sie ärztlichen Rat einholen.

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