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Wunschkaiserschnitt
Unter einem sogenannten Wunschkaiserschnitt (Wunschsektio, Wunschsectio, elektive Sectio, WKS) versteht man einen Kaiserschnitt, der medizinisch nicht als notwendig erachtet wird, sondern allein auf Wunsch der werdenden Mutter durchgeführt wird.
Es ist unstrittig, dass die Zahl der Wunschkaiserschnitte in den vergangenen Jahren auch in Deutschland stark zugenommen hat. Fundierte statistische Angaben zur Zahl der Wunschkaiserschnitte sind hierzulande jedoch nicht verfügbar. Um eine Kostenerstattung durch die Krankenkassen zu gewährleisten, werden diese i.d.R. als medizinisch notwendige Eingriffe deklariert. Wunschkaiserschnitte gelten darüber hinaus gesellschaftlich noch weitgehend als Tabu. So wurden die vielen Kaiserschnitte prominenter Frauen in den vergangenen Jahren vor der Öffentlichkeit meist mit medizinisch äußerst fragwürdigen Scheinindikationen gerechtfertigt, weil sich diese nicht offen zu ihrer persönlichen Entscheidung bekennen konnten oder wollten. Die Kaiserschnittentbindung eines Sohnes von Victoria Beckham, genannt Posh Spice, führte in England gar zu öffentlichen Gegendemonstrationen von Kaiserschnittgegnerinnen unter dem Motto ''Too posh to push!'' (etwa: "Zu vornehm zum pressen!").
Die Diskussion über das Für und Wider des Wunschkaiserschnitts wird von Befürwortern wie Gegnern leidenschaftlich geführt.
Argumente von Wunschkaiserschnitt-Befürwortern
Als Vorteile des Kaiserschnitts gegenüber einer natürlichen Geburt gelten eine geringere Sterblichkeit des Kindes, ein wesentlich geringeres Risiko eines bleibenden Geburtsschadens (bei der natürlichen Geburt etwa 1:500) und ein geringeres Infektionsrisiko beim Kind. Die Mutter reduziert das Risiko bleibender Beckenbodenschäden (z.B. Harn- oder Stuhl-Inkontinenz, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr). Diese können als Folge der extremen Dehnung und ggf. auch des im Verlaufe der natürlichen Geburt häufig durchgeführten Dammschnitts auftreten. Darüberhinaus ist der eigentliche Entbindungsvorgang beim Kaiserschnitt durch die Narkose fast völlig schmerzfrei, während natürliche Geburten trotz aller Fortschritte der Geburtshilfe häufig noch mit unvergleichlichen Schmerzen verbunden seien. Neue, schonendere Operationstechniken (wie die "Misgav Ladach Methode") haben darüberhinaus die Liegezeit im Krankenhaus auf meist nur wenige Tage verkürzt.
Befürworter des Wunschkaiserschnitts sehen in ihm eine etwa gleichwertige Alternative zur natürlichen Geburt, und betonen das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Beides habe seine Berechtigung, und die Schwangeren könne am besten selber entscheiden, welche der Möglichkeiten sie wähle. Die endgültige Entscheidung für oder gegen einen medizinisch nicht notwendigen Kaiserschnitt könne und sollte unter Abwägung aller Aspekte nur von der Mutter getroffen werden.
Zitat: ''Die natürlichste Geburt ist die vaginale Geburt ohne Dammschnitt, ohne Zange/Saugglocke und ohne Komplikationen. Eine alternative Geburt kann ein geplanter Kaiserschnitt mit 38 bis 38 1/2 Wochen sein. Die planbare Variante kann Ihnen der Arzt praktisch garantieren, während die natürliche Variante von einigen Launen der Natur abhängt, die wir kaum steuern können. Die Schwangere muss sich also zwischen der natürlichen Ungewissheit und der planbaren Gewissheit entscheiden und mit ihrem eigenen Wertesystem in Einklang bringen.'' Dr. Pierre Villars, Schweizer Gynäkologe
Der Kaiserschnitt erschwert nach dem aktuellen Stand der Forschung nicht die Mutter-Kind-Bindung, ebensowenig wie dies für besonders Trauma|traumatisch verlaufende natürliche Geburten der Fall ist. Mögliche psychische Probleme und Versagensgefühle der Mutter nach einem Kaiserschnitt sind nach Ansicht der Wunschkaiserschnitt-Befürworter eher die Folge mangelnder Information und des Drucks durch das soziale Umfeld.
Das von den Gegnern des Wunschkaiserschnitts angeführte Kostenargument lassen Befürworter des Wunschkaiserschnitts nicht gelten. Sie verweisen auf die enormen sozialen Folgekosten bereits einer einzigen durch Sauerstoffunterversorgung während der Geburt verursachten lebenslangen Behinderung. Ohnehin sei die Kostenfrage von untergeordneter Bedeutung. Die möglichen Folgen für die Patientin in positiver wie in negativer Hinsicht seien erheblich weitreichender als etwa bei der Frage, ob eine (medizinisch nicht notwendige) Lokalanästhesie vor einer Zahnbehandlung durchgeführt werde oder nicht. Akzeptabel sei jedoch ein Zuzahlungsmodell, bei der lediglich die Kostendifferenz zwischen den Kosten natürlicher Geburten (einschließlich aller Folgekosten, etwa denen eines nächtlichen Notkaiserschnitts) und den Kosten eines Wunschkaiserschnitts von der werdenden Mutter getragen werde.
Die Sicht von Wunschkaiserschnitt-Gegnern
Auf der anderen Seite führt der Kaiserschnitt häufiger zu vorübergehenden Adaptionsproblemen beim Kind (z.B. Atemnotsyndrom). Als Nachteile für die Mutter gelten eine erhöhte Sterblichkeit (etwa 1:15.000 statt 1:50.000, allerdings unter Einbeziehung der Notkaiserschnitte), ein leicht erhöhtes Risiko für einen Plazenta-Tiefsitz bei Folgeschwangerschaften und ein etwas erhöhtes Risiko für Infektionen im Zusammenhang mit der Operation. Auch besteht ein erhöhtes Risiko einer Embolie oder Thrombose. Als Folge des Kaiserschnitts bleibt zudem eine Narbe (Wundheilung)|Narbe, die heutzutage meist unterhalb der "Bikinigrenze" verläuft. Die ersten Tage nach der Operation sind i.d.R. mit größeren Schmerzen verbunden als nach einer natürlichen Entbindung, auch wenn sich diese durch die Gabe von Schmerzmitteln lindern lassen. Zudem dauert es mehrere Wochen, bis die Mutter körperlich wieder voll belastbar ist.
Die immer größer werdende Zahl von Wunschkaiserschnitten wird von deren Gegnern auch darauf zurückgeführt, dass die Angst vor der natürlichen Geburt von Interessengruppen wie Ärzten - die daran verdienen - geschürt wird. Sie verweisen darauf, dass natürliche Geburten zwar selten schmerzfrei abliefen, dass die Geburt aber prinzipiell von jeder Frau geschafft werden könne.
Darüberhinaus wird häufig der Verzicht auf das sehr emotionale Geburtserlebnis als Nachteil genannt.
Natürliche Geburten seien für das Gemeinwesen wesentlich billiger, da keine Kosten für eine Operation anfielen und weil - bei Krankenhaus-Geburten - Frau und Kind in der Regel noch am gleichen oder nächsten Tag das Krankenhaus verlassen könnten. Eine Geburt per Kaiserschnitt kostet die Krankenkassen zwischen 4.700 und 6.000 Euro. Für eine natürliche Geburt werden in der Regel ca. 2.700 Euro fällig. Eine Hausgeburt belastet den Krankenkassen-Etat in der Regel um ca. 500 Euro.
Schließlich sehen viele die natürliche Geburt als recht bewährt an, da die Evolution sie über viele Jahrmillionen weiterentwickelt hat.
Gegner des Wunschkaiserschnitts, wie etwa die deutschen Hebammenverbände, kritisieren die Betonung des vermeintlichen Selbstbestimmungsrecht der Frau bei der Frage Wunschkaiserschnitt ja oder nein. Sie sehen den Wunschkaiserschnitt nicht als gleichwertige Alternative. Vielmehr sei die Zunahme der Wunschkaiserschnitte eine gesellschaftliche Fehlentwicklung, die darauf beruhe, dass sich mehr und mehr eine Sicht der Geburt als mehr oder weniger riskanter medizinischer, mechanischer Vorgang durchsetze. Hebammen beraten Schwangere in der Regel mit einer anderen grundsätzlichen Sicht der Dinge; sie sehen die komplikationsfreie Geburt als natürlichen, nicht medizinischen Vorgang, der zunächst nichts mit Krankheit zu tun habe. Der Wunsch von Schwangeren nach einem Kaiserschnitt sei in der Regel die Folge von Angst vor der Geburt, die in den meisten Fällen unnötig sei, aber von Medizinern und Umfeld der Schwangeren geschürt würde. Diese Angst ernst zu nehmen, mit ihr umzugehen und sie zu bewältigen, sehen Hebammen als Teil ihrer Aufgabe an. Laut den "Fachanweisungen des Hebammenverbandes" ist aber ein Wunschkaiserschnitt mit den Eltern bei einem geschätzten Geburtsgewicht von über 4.500 Gramm zu diskutieren. In jedem Fall berücksichtigten Hebammen aber die Wünsche der Schwangeren und respektierten deren Selbstbestimmungsrechte.
Insgesamt sei das Risiko von bleibenden Gesundheitsschäden bei Mutter und Kind bei der natürlichen Geburt nicht höher als bei einem Kaiserschnitt, vorausgesetzt, man beziehe alle Faktoren in die Betrachtungen ein und die geburtsbegleitenden Fachleute hätten auch eine ausreichende Qualifikation für eine natürliche Geburt. Das Vorhandensein von ausreichenden Qualifikationen für die natürliche Geburt wird allerdings von Seite der Hebammen in Frage gestellt, so weit es Ärzte betrifft - diese seien gut auf Operationen und Notfälle vorbereitet, hätten aber oft nicht genügend Erfahrung und Know-How, um eine natürliche Geburt zu begleiten.
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