|
Schizoide Persönlichkeitsstörung
Die "schizoide Persönlichkeitsstörung" (nicht zu verwechseln mit Schizophrenie oder der Schizotypischen Persönlichkeitsstörung) zeichnet sich aus durch einen Rückzug von affektiven, sozialen und anderen Kontakten mit übermäßiger Vorliebe für Phantasie, einzelgängerisches Verhalten und in sich gekehrte Zurückhaltung. Sie verfügen nur über ein begrenztes Vermögen, Gefühle auszudrücken und Freude zu erleben. Weiter kann "schizoid" nur als Eigenschaftswort verwendet werden. Es wird von weniger als 1% Betroffenen in der Bevölkerung ausgegangen, weswegen die Störung im Vergleich zu anderen Krankheiten relativ selten vorkommt.
Beschreibung
Die schizoide Persönlichkeitsstörung ist durch einen Rückzug von emotionalen, sozialen und sonstigen Kontakten gekennzeichnet. Es existiert nur ein begrenztes Vermögen zum Ausdrücken von Gefühlen und Erleben von Freude. Darüberhinaus besteht eine Vorliebe für Phantasie und einzelgängerisches Verhalten (ICD-10 GM). Beim geselligen Umgang fällt die Unzugänglichkeit des Wesenskerns auf, obwohl formal ein perfekter und sogar eleganter Umgangsstil beherrscht werden kann. Menschen mit einer solchen Störung bilden kompensatorisch oft ein hohes Maß intuitiver Fähigkeiten aus, mit denen sie sich zugleich schützen und Überlegenheit gewinnen können. Soweit die sonstigen Voraussetzungen bestehen, entwickeln sie ein hohes Maß an intellektueller Differenziertheit.
Nach vorherrschender Auffassung nimmt diese Persönlichkeitsstörung ihren Ausgang von der frühen Kindheit. Eine hochgradige angeborene Sensibilität und Irritierbarkeit wird ebenso als Voraussetzung für ihre Entstehung angesehen wie Formen starker emotionaler Vernachlässigung, chaotischer sozialer Verhältnisse oder auch Formen brüsker mütterlicher Fürsorge. In vielen Fällen weist ein Elternteil psychische Störungen auf und/oder konnte ihr Kind nicht verstehen. Dem Säugling und Kleinkind fehlt ausreichender Schutz zum Ausbilden der ersten selbstständigen Kontakte mit der nächsten Umgebung - solche Versuche wurden entweder gar nicht beantwortet und konnten sich nicht weiterentwicklen, oder es wurde so stark auf sie reagiert, dass nicht die Freude an der Antwort, sondern die Beängstigung durch sie als bleibende Erfahrung im Gedächtnis bleibt.
Eine tiefgehende Kontaktgestörtheit prägt diese Menschen, ihre emotionale Beziehung zur Umwelt und anderen Menschen ist zentral gelockert, sie beschreiben ihr Lebensgefühl häufig wie "unter einer Glasglocke" lebend. Die Welt bleibt blass, die spontane Erlebnisfähigkeit und das unmittelbare Ansprechen der Gefühle sind stark gehemmt. Tiefsitzendes Misstrauen hält sie fast instinktiv anderen Menschen gegenüber auf Distanz. Die ausgeprägte Zwiespältigkeit ihrer Erlebnisart hat dieser Störung den Namen gegeben. Während einerseits fast unbewusst oder im Sehnsuchts- und Phantasiebereich der Wunsch nach inniger Gemeinsamkeit mit anderen Menschen quälend stark vorhanden ist, sind die Wege zum Ausdrücken und Mitteilen überwiegend blockiert, starr und hölzern tritt der Mensch auf, der gleichzeitig innerlich glühen mag. Und unter Druck gesetzt, durch z.B. zu enges Zusammenleben oder heftige Kritik, reagieren sie oft abrupt und befremdlich, scheinen sich gerade gut unter Kontrolle zu haben, bevor sie einen Augenblick später explodieren. Sowohl perfekte Selbstkontrolle als auch explosives Ausbrechen sind die zwei Seiten einer Persönlichkeit, deren emotionale Verbundenheit mit anderen Menschen nur gering belastbar ist.
Beruflich fühlen sie sich in abstrakten Wissenschaften, fern ab von Menschen wohl und können dort zu überaus guten Leistungen fähig sein. Ebenfall kommt ihnen ihre Flexibilität durch zumeist soziale Ungebundenheit zugute. In der Schule liefern sie mitunter schlechte Leistungen ab, die nicht in Relation zu ihrem Intellekt stehen und ziehen oft Hänseleien auf sich.
Der Begriff der Persönlichkeitsstörung legt eine Fixierung auf die beschriebenen Merkmale nahe. Dennoch ist davon auszugehen, dass solche Störungen unter günstigen Bedingungen sich mildern, Plastizität beweisen und zu Veränderungen gebracht werden können.
Klassifikation nach ICD und DSM
ICD-1
Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen:
- wenn überhaupt, dann bereiten nur wenige Tätigkeiten Freude;
- zeigt emotionale Kühle, Distanziertheit oder einen abgeflachten Affekt;
- reduzierte Fähigkeit, warme, zärtliche Gefühle für andere, oder Ärger auszudrücken;
- erscheint gleichgültig gegenüber Lob oder Kritik von anderen;
- wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit einem anderen Menschen (unter Berücksichtigung des Alters);
- fast immer Bevorzugung von Aktivitäten, die alleine durchzuführen sind;
- übermäßige Inanspruchnahme durch Phantasien und Introvertiertheit;
- hat keine oder wünscht keine engen Freunde oder vertrauensvollen Beziehungen (oder höchstens eine);
- deutlich mangelhaftes Gespür für geltende soziale Normen und Konventionen. Wenn sie nicht befolgt werden, geschieht das unabsichtlich.
DSM-IV
A: Ein tief greifendes Muster, das durch Distanziertheit in sozialen Beziehungen und eine eingeschränkte Bandbreite des Gefühlsausdrucks im zwischenmenschlichen Bereich gekennzeichnet ist. Die Störung beginnt im frühen Erwachsenenalter und tritt in den verschiedensten Situationen auf. Mindestens vier der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
- hat weder den Wunsch nach engen Beziehungen noch Freude daran, einschließlich der Tatsache, ein Teil der Familie zu sein,
- wählt fast immer einzelgängerische Unternehmen,
- hat, wenn überhaupt, wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit einem anderen Menschen,
- wenn überhaupt, dann bereiten wenige Tätigkeiten Freude,
- hat keine engen Freunde oder Vertraute außer Verwandten ersten Grades,
- erscheint gleichgültig gegenüber Lob und Kritik von Seiten anderer,
- zeigt emotionale Kälte, Distanziertheit oder eingeschränkte Affektivität.
Korrelation zu anderen Krankheiten und MBTI
Es wird eine starke Korrelation zwischen den MBTI-Typen ''INTJ und INTP" angenommen (siehe auch'': Keirsey"). Desweiteren sind männliche Personen öfters betroffen als weibliche. Das könnte daran liegen, dass solch ein phlegmatisches Verhalten bei Frauen mehr missbilligt wird als bei Männern.
Ebenfalls tritt eine schizoide Persönlichkeitsstörung meist nicht isoliert sondern kombiniert mit anderen Krankheiten auf. Es gibt Überschneidungen mit anderen Störungen, vor allem mit dem Asperger-Syndrom, der vermeidende Persönlichkeitsstörung und Depressionen, weswegen die Diagnostizierung oft schwerfällt. Unterschiede sind, dass sich Personen mit schizoiden Persönlichkeitsstörungen im Vergleich zu depressiven Leuten nicht untergeben fühlen, im Gegensatz zu vermeidenden Persönlichkeitstörungen bzw. Soziale Phobie|sozialen Phobie keine Angst vor sozialen Interaktionen haben sondern diese wegen ihrer Gleichgültig meiden und keine körperlichen Symptome wie beim Asperger-Syndrom haben. Im Vergleich zu Schizophrenie haben sie keine Wahnvorstellungen oder kognitiven Störungen. Die ähnliche schizotypische Persönlichkeitsstörung unterscheidet sich von der schizoiden dahingehend, dass diese durch mehr Naivität und Interesse an Pseudowissenschaften wie Esoterik und Magie interessiert ist. Durch Fokussieren auf das Äußere der Betroffenen, welches sich stark vom Inneren unterscheidet, kann es schnell zu Fehldiagnosen kommen.
Behandlung
Es ist umstritten, ob die schizoide Persönlichkeitsstörung als Krankheit gewertet werden soll oder nicht. Oft leiden weder Betroffene selbst, noch Angehörige, oder nehmen es nicht wahr. Ebenfalls wird argumentiert, dass Betroffene ein solches unkonventionelles Leben anstrebten, welches nur wegen des geringen Verbreitungsgrades missbilligt werde.
Schizoide Menschen suchen in aller Regel keine psychologische Behandlung auf, es sei denn, sie werden dazu gezwungen. Sie können von einem sozialen Trainingsprogramm profitieren, wobei es die Ansicht gibt, dass dabei nicht ihre Krankheit behandelt wird, sondern sich nur ihr Auftreten ändert. Ebenfalls darf man auf keinen Fall vom äußeren Verhalten auf die Gedankenwelt schließen, denn die ist meist um einiges gefühlvoller und lebendiger als es den Anschein hat.
|