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Ulcus cruris



Der medizinische Begriff Ulcus cruris - Latein|lat.: ''Ulcus'' ("Geschwür") und crus ("Schenkel, "Unterschenkel") - bezeichnet ein Geschwür am Unterschenkel - das heißt eine offene, meist nässende Wunde, welche über lange Zeit nicht abheilt. Umgangssprachlich wird es auch als "offenes Bein" bezeichnet. Betroffen sind meist ältere Menschen, denen verschiedene Grunderkrankungen zu schaffen machen.

Ein Ulcus cruris, das trotz optimaler Therapie innerhalb von drei Monaten keine Heilungstendenz zeigt bzw. nicht innerhalb von 12 Monaten abgeheilt ist, gilt als Therapieresistenz|therapieresistent.

Ursachen

Grundsätzliche Ursache bei allen Formen ist eine mangelnde Durchblutung des betroffenen Gewebe (Biologie)|Gewebes (Mikrozirkulation), was einerseits die Entstehung eines Ulcus cruris erst ermöglicht, andererseits auch der Grund für dessen schlechte Heilungstendenz ist. Diese Störung der Mikrozirkulation kann wiederum auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden:

Als grundlegende Erkrankungen liegen dabei meist ein postthrombotisches Syndrom oder ein Varicositas cruris|Krampfadernleiden vor (bei ca.85% der Ulcera). Ein Diabetes mellitus, eine arterielle Hypertonie und Übergewicht sind bei den meist betroffenen älteren Menschen häufig als Begleiterkrankung zu finden, aber wohl nur selten die Hauptursache. Rauchen und Bewegungsmangel (nicht zuletzt über die fehlende Muskelpumpe) sind ebenfalls wichtige Risikofaktoren.

Das Ulcus cruris venosum als schwerster Form der chronisch venöse Insuffizienz|chronisch venösen Insuffizienz (CVI) stellt je nach Studie mit 57-80% aller chronischen Ulzerationen die häufigste Ursache nicht spontan abheilender Wunden dar. Arteriell bedingte Ulzerationen sind in 4-30%, gemischt arterio-venöse Ulzerationen in ca. 10%-15% und alle übrige Formen in ca. 6-10% anzutreffen.
Hauptursache ist dabei die venöse Stauung im Gewebe, nicht so sehr eine arterielle Durchblutungsstörung. Deswegen wird das Ulkus cruris venosum auch als Stadium 3 der chronischen Venenstauung bezeichnet.

Unter den übrigen Formen der Durchblutungsstörung kann auch ein chronisches Kompartment-Syndrom als Ursache der Zirkulationsstörung verborgen sein, das möglichst rasch erkannt werden sollte, um eine weitere Gewebezerstörung zu verhindern.

Von einem Ulcus cruris sind Frauen häufiger betroffen als Männer - v.a. da Frauen ein höheres Lebensalter erreichen und häufiger an Krampfadern bzw. Venenproblemen leiden als Männer. Vor dem 40. Lebensjahr kommt das Ulcus cruris selten vor. Ab dem 80. Lebensjahr steigt die Prävalenz|Häufigkeit auf - wieder je nach Studie - 0,87 bis 3,38 % stark an. Da diese Erkrankung einen hohen Leidensdruck sowie - alleine schon was das Verbandsmaterial anbelangt - enorme Kosten verursacht und in den nächsten 40 Jahren der Bevölkerungsentwicklung|Bevölkerungsanteil der über 80-Jährigen massiv ansteigen wird, ist ein besonderes Augenmerk auf die Prävention|Vorbeugung dieser Erkrankung schon in jungen Jahren zu richten.

Dazu kommen Nebenfaktoren, die den Verlauf ebenfalls beeinflussen, aber in den meisten Fällen nicht ursächlich sind, wie Wundinfektionen, Allergien auf Salben oder erniedrigte Blutspiegel an Albumin, Eisen, Folsäure, Selen, Vitamin C und Zink, die in einigen Studien beschrieben wurden.

Diagnose

Wie bei der CVI ist zunächst die Anamnese entscheidend. Inspektion und Ausmessen des Ulcus, wenn möglich auch eine fotografische Dokumentation erleichtern die spätere Beurteilung der therapeutischen Maßnahmen (und manchmal auch der Compliance (Medizin)|Compliance der Patienten) und sind im Einzelfall von Forensik|forensischer Bedeutung. Allerdings wird nicht ein Unterschenkel alleine, sondern der ganze Mensch von Kopf bis Fuß untersucht, da aufgrund der meist vorhandenen Multimorbidität|Mehrfacherkrankungen des alten Menschen meist mehrere Faktoren die Chronizität des Geschehens bestimmen.

Als Diagnose-Verfahren zur Genese der Erkrankung kommen u. A. die Dopplersonographie der Venen und Arterien, sowie bei der periphere arterielle Verschlusskrankheit|peripheren arteriellen Verschlusskrankheit die Angiografie zum Einsatz.

Behandlung

Beseitigung der Ursachen

Die Ursachen zu beseitigen, ist leichter gesagt als getan. In erster Linie sind eine Reduktion des Übergewichts, eine optimale Einstellung eines evtl. bestehenden Diabetes mellitus und eine optimale Einstellung des Blutdrucks anzustreben. Dabei muss allerdings ein ausreichend hoher Blutdruck erhalten bleiben, um die arterielle Versorgung des Gewebes gewährleisten zu können.

Operation zur Beseitigung der Grundursache

Bei chronischem Kompartment-Syndrom wird eine Faszien-Chirurgie (Fasziotomie und Fasziektomie) mit anschließender Hauttransplantation durchgeführt, um die andauernde und fortschreitende Gewebeschädigung durch die zu straffe Muskelhülle zu verhindern.

Bei venöser Insuffizienz kann die Überbrückung der betroffenen Venenabschnitte zur Druckentlastung im venenösen System die andauernde und fortschreitende Schädigung der für die Mikrozirkulation wichtigen kleinsten Gefäße verhindern.

Bei arteriellen Durchblutungsstörungen kann eine Ballon-Dilatation durchgeführt oder eine Versorgung mittels Gefäßprothese angestebt werden.

Konservative Behandlung

Nicht-operative Behandlung der Wunde und unterstützende Maßnahmen sind:
  • Shave-Therapie als chirurgische Vorstufe der Wundbehandlung: Abrasur der Wunde und Abdeckung mit Spalthaut des Oberschenkels oder gezüchteter Haut
  • Je nach Ulcus-Ursache unterschiedlich starke Kompressionstherapie mit Kurzzug-Kompressionsbinden oder Kompressionsstrümpfen (insb. bei Schwellung der Unterschenkel). Ein Zurückdrängen der Schwellung im Unterschenkel (die zusätzliche Flüssigkeit im Gewebe behindert den Transport von Gasen und Nährstoffen) bedeutet eine Verbesserung der Zellernährung im feingeweblichen Bereich. Weiterhin wird die Funktion von oft defekten (nicht mehr komplett schließenden) Venenklappen verbessert. VORSICHT bei Arterieller Durchblutungsstörung und Schwellungen durch Herzschwäche.
  • Bewegungstherapie und Lymphdrainage zur Förderung der Durchblutung
  • Verbände mit hydroaktiven Wundauflagen oder Kollagenschwammverbände, die nicht mit der Wunde verkleben und sie feucht halten ohne den Gasaustausch zu verhindern, z.B. mit Allantoin, Harnstoff, Hydrokolloiden
  • zusätzliche Anwendung von Wachstumsfaktoren wie Faktor XIII (Faktor-13, Fibrogammin HS, Plasmatransglutaminase) oder PDGF-beta
  • Gentherapie (experimentell)
  • Einnahme von Pentoxyfillin, Heparin, Infusionen mit Prostaglandin-E1,
  • Antibiotikum|Antibiotika eingeschränkt nur bei bestimmten Wundinfektionen (sind im Falle des U. c. venosum meist wirkungslos)
  • Antiseptika beim Verbandwechsel nicht routinemässig, nur phasenweise bei entsprechendem Erregerbild.
  • Druckentlastung und Weichlagerung (schliesst ggf. Kompressionstherapie nicht aus).
  • Die Madentherapie mit lebenden Fliegenmaden der Schmeißfliegen#Goldfliegen - Gattung Lucilia|Goldfliegenart Lucilia sericata ('Gefräßige Lucy') gilt vor allem seit einer Publikation im Lancet im Jahr 2000 neuerlich als vielversprechend.

Nachbehandlung und Vorbeugung

Häufig wird eine Kompressionstherapie mit Stützstrumpf|Stützstrümpfen und Kompressionsverband|Kompressionsverbänden zur Unterstützung der Muskelpumpe|Muskel-Gelenk-Pumpe eingesetzt, um einen hohen Arbeitsdruck und niedrigen Ruhedruck zu gewährleisten, wobei durch die Verwendung von Druckpolstern die Effektivität der Kompressionswirkung erhöht werden kann. Allerdings kann durch diese Therapie ebenfalls die Mikrozirkulation beeinträchtigt werden, was kontraproduktiv ist. Damit muss gleichzeitig zu ausreichender Bewegung geraten werden, sofern ein Kompartment-Syndrom beseitigt oder ausgeschlossen ist, da jede Belastung der Beine beim Gehen sonst ebenfalls kontraproduktiv wäre.

Die Informationen dienen der allgemeinen Weiterbildung. Sie können in keinem Falle die ärztliche Beratung, Diagnose oder Behandlung ersetzen.
Bei gesundheitlichen Beschwerden sollten Sie ärztlichen Rat einholen.

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